Warum fühlt man sich bestimmten Orten besonders verbunden? M. Tullius Cicero und T. Pomponius Atticus erörtern diese Frage:

Marcus: Ich aber strebe, sobald es möglich ist, mehrere Tage von Rom weg zu sein, besonders in dieser Zeit des Jahres, sowohl nach der Schönheit als auch der Gesundheit von Arpinum; allerdings ist es nur selten möglich. Aber mir gefällt es noch aus einem anderen Grund, der dich nicht betrifft, Titus.
Atticus: Was endlich ist jener Grund?
Marcus: Weil dies meine und meines Bruders Heimat ist. Von hier sind wir nämlich aus ältestem Geschlecht hervorgegangen, hier sind unsere Heiligtümer, hier ist unsere Sippe, hier sind die zahlreichen Spuren unserer Vorfahren. Du siehst dieses Landhaus, wie es jetzt allerdings ist, vornehmer ausgebaut durch den Fleiß meines Vaters, der, als er von schwacher Gersundheit war, hier sein Greisenalter mit Studien verbrachte. Aber wisse, daß ich an eben diesem Ort geboren wurde, als der Großvater [erg.: noch] lebte und das Haus nach alter Sitte klein war. Daher wohnt meinem Geist und meiner Seele inne und ist in ihnen verborgen etwas, wodurch mich dieser Ort vielleicht mehr erfreut, wie man denn auch von einem höchst weisen Mann schreibt, er habe die Unsterblichkeit zurückgewiesen, um Ithaka zu sehen.
Atticus: Ich zumindest glaube, daß jener Grund ein gerechtfertigter [erg.: Grund] für dich ist, warum du lieber hierher kommst und diesen Ort liebst. Ja sogar ich selbst bin jenem Haus freundlicher geworden und jenem ganzen Land, in dem du geboren wurdest. Wir werden nämlich durch die Orte an sich berührt, an denen sich die Spuren derer, die wir lieben oder bewundern, sich befinden. Sogar unser geliebtes Athen selbst [eigentl.: jenes unser Athen selbst] erfreut uns nicht so sehr mit prächtigen Bauwerken und erlesenen alten Kunstwerken als vielmehr durch die Erinnerung an hochbedeutende Männer, wo jeder zu wohnen, wo zu sitzen, wo zu diskutieren pflegte, und ich auch ihre Grabmäler eifrig betrachte. Deshalb werde ich jenen Ort, an dem du geboren bist, künftig mehr lieben.